Spielzeit 2014/15// Rückschau
Verehrte Musikfreundinnen und Musikfreunde,
Konditoren, Braumeistern oder Wunderheilern ist sehr daran gelegen, die Rezepturen ihrer Produkte geheim zu halten, gilt es doch zu verhindern, dass Andere einem allzu tief in die Karten blicken. Bei den Gestaltern von Konzertprogrammen verhält es sich nicht anders. Sie lassen nur ungern etwas über die Quellen ihrer Einfälle verlauten. Was die Programme der neuen Saison 2014/15 bei den Stuttgarter Philharmonikern betrifft, machen derlei Versteckspiele keinen Sinn, da die Phase der Planung zu viele verräterische Spuren hinterlassen hat. Es hilft nichts, als die Dinge schonungslos offen zu legen.
Alles fing damit an, dass zwei unserer Musiker fragten, ob es nicht möglich sei, einen eigenen „Philharmoniker-Wein“ herzustellen. Solche Flüssigkeit wäre doch ein Labsal für unsere Gäste, für Freunde und Besucher unserer Konzerte. Mir fiel nichts ein, was ich dem hätte entgegen halten können. Jetzt stellte sich aber das Problem der Auswahl eines geeigneten Rebensaftes. Zwar hatten wir im Weingut der Stadt Stuttgart und seinem Kellermeister, Herrn Nanz, rasch jemanden gefunden, der uns den Weg ins Gelobte Land wies. Bis wir dort ankamen, war jedoch harte Arbeit zu verrichten. Meine Mitarbeiter und ich, das versichere ich an Eides statt, haben uns nicht geschont, sollte der Tropfen doch im Verhältnis zur Qualität der Musik mithalten können.
Freilich wucherten unter dem Probieren die Nerven unserer Zungen wie Schlinggewächse. Viel mehr noch hatte der Wein aber folgenreiche Auswirkungen auf unsere Einbildungskräfte. Was sich da im Einzelnen in unseren Köpfen abgespielt hat, lässt sich nur schwer in Worte fassen. Daher greife ich auf den Dichter Jean Paul zurück, der in einem seiner frühen Werke, den „Grönländischen Prozessen“ (1783), ganz vorzüglich die Wirkung der im Fass entstehenden Geister auf die unsrigen beschrieben hat:
Die Hitze des Weins stört den Unsinn der Phantasie aus seinem Winterschlaf […] ; – aus allen Winkeln des Gehirns kriechen verborgene Einfälle hervor, jede Ähnlichkeit […] sammelt ihre unähnlichen Kinder um sich, und gleich einer wandernden Mäusefamilie, hängt sich ein Bild an den Schwanz des andern; – alle Saiten des hohlen Kopfes tönen zu einem gleichzeitigen Missklang, das Gedächtnis wirft seine gestohlenen Schätze aus, und wie Heu durch die Nässe, erhitzt sich der zusammengeraubte Haufen von verwelkten Blumen durch das Getränk. Nur auf diese Weise kann der Parnass [der Sitz der Musen] mit einem Bedlam [dem Londoner Irrenhaus] wetteifern, nur durch das Einsaugen einer solchen Lauge kann der Unsinn zu einer pindarischen Höhe aufschießen. Darum waren auch alle gefleckten Tiere dem Bacchus heilig; – wenn man nämlich das buntaustapezierte Gehirn eines Musensohns mit einem vielfarbigen Tierfelle vergleichen darf.
„Vivat Bacchus!“ - riefen wir, während der Wein das Mühlrad unserer Phantasie zum Rotieren brachte. Und all die herrlichen Musikstücke, die Sie in unserem Abonnement „Die große Reihe“ hören werden, traten gleichsam vor unser inneres Ohr und drängten sich auf. Was aber, wenn wir da dem Affen zu viel Zucker gegeben hätten? Vermutlich war es diese Angst oder die noch nicht ganz betäubte Vernunft, die uns auferlegte, in den übrigen Konzerten der Saison den Weingott in die Schranken zu weisen. Da Bacchus auch als Gott des Lärmens bezeichnet wird, stellten wir unser Abonnement Sextett unter das Motto: „Das Geheimnis der Stille“. Wir hoffen, damit all jenen ein wenig Balsam auf die Seele zu gießen, die im Alltag von unangenehmem Schall sich geplagt fühlen.
Diese berauschenden wie entspannenden Abende voller Musik, die im Übrigen ganz frei von Nebenwirkungen sind, könnten wir Ihnen nicht darbieten ohne den hoch engagierten Einsatz der Musikerinnen und Musiker unseres Orchesters und der Solisten und Dirigenten, die mit uns gemeinsam auf die Bühne gehen. Diesen gebührt mein besonderer Dank. Für die stete Unterstützung unserer Arbeit bedanke ich mich ganz herzlich bei der Stadt Stuttgart, besonders bei unserem Kulturamt, sowie beim Land Baden-Württemberg, bei all unseren Partnern in Stuttgart, in Baden-Württemberg sowie im In- und Ausland, bei der Gesellschaft der Freunde der Stuttgarter Philharmoniker, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Teams sowie allen ehrenamtlichen Helfern.
Auf die neue Spielzeit freut sich mit Ihnen
Ihr
Michael Stille
Intendant
Die Große Reihe – Der Gott des Weines
Die Huldigung an den Weingott Bacchus ist nicht zuletzt ein Plädoyer für die Weinstadt Stuttgart.
Abonnement Sextett – Das Geheimnis der Stille
Ausgerechnet die Stille liefert das Motto für diese Konzertreihe.
Abonnement Terzett
Hier können Sie nicht nur unseren künftigen Chefdirigenten (ab Herbst 2015) Dan Ettinger kennenlernen, sondern neben Elgar und Brahms vor allem Beethoven und Tschaikowsky erleben.
Konzerte der Kulturgemeinschaft
Konzerte der Stuttgarter Philharmoniker, die von der Kulturgemeinschaft veranstaltet werden.
Sonderkonzerte in Stuttgart
Programme, die die Philharmoniker für weitere Veranstalter in Stuttgart spielen, vom Jahresschlusskonzert der Südwestdeutschen Konzertdirektion Erwin Russ bis zum Dirigentenpodium Baden-Württemberg.
Kinder- & Familienkonzerte
Speziell für Kinder im Grundschulalter und deren Erwachsene, mit zwei Produktionen und 17 Veranstaltungen. Der Kartenvorverkauf beginnt am 9. September.
Lauschangriff
Speziell für Jugendliche ab etwa 10 - 12 Jahren, die zum ersten Mal der Musik eines großen Sinfonieorchesters begegnen, konzipiert. Die Reihe bietet kompakte Programme mit ausführlichen Einführungen in die Musik und deren Hintergründe.
Kultur am Nachmittag
Für alle, die abends keine Veranstaltung besuchen wollen oder können, bietet diese Reihe Konzerte um 16 Uhr an.
Öffentliche Proben
Während ihrer öffentlichen Proben lassen sich die Philharmoniker bei der Vorbereitung der Konzerte „über die Schulter” schauen.