Abo DIE GROSSE REIHE // Rückschau Saison 2020/21
Einfach himmlisch! oder wie man bereits auf Erden ins Paradies gelangt
Die Auslagen im Fenster des kleinen Ladens in einer holländischen Stadt dürften den meisten Vorübergehenden seltsam vorkommen. Da glitzert und blinkt es in einer Menge kleiner Kästchen, die durch Glasscheiben Einblicke in ihr Inneres gewähren. Es handelt sich um kuriose Gegenstände, eingewickelt in Silber, in Spitzenstoff, dekoriert mit allerlei Tand und postiert auf speziell gefertigten kleinen Kissen aus Brokat. Schauen wir genauer hin, dann sehen wir Knochensplitter, Haare, Hautreste oder auch ganze Finger: all das Reliquien, also Überreste von Heiligen, und andere Kuriositäten. In einem der Kästchen sieht man hinter dem Glas lediglich einen schmucklosen Holzstab, darunter auf einem Papierfetzen den Hinweis: „Die letzte Sprosse der Himmelsleiter“.
Wer träumte nicht davon, dem Himmel einmal ganz nah zu sein? In unserer Zeit suchen Menschen überirdisches Glück allerdings nicht mehr vornehmlich im Dunstkreis der Heiligkeit, sondern bei weitaus profaneren Anbietern. Urlaubsparadiese, Wellness-Oasen, Verkaufstempel der Automobilindustrie oder die raren Plätze an den Tischen von Sternenköchen, sie alle verfolgen den Zweck, uns, die Angelockten, gewissermaßen in den Himmel zu katapultieren. Die Rechnung, die uns nach solcher Art paradiesischen Vergnügens vorgelegt wird, holt uns dann meistens ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Dabei sind wir nicht einmal in die Außenbezirke des wahrhaft Himmlischen vorgedrungen, geschweige in dessen engeren Wirkungskreis. Das wäre denn wohl auch ein zu großes Wagnis. Über die Schrecken, die uns widerfahren, wenn wir wahrhaftig die Grenzlinie vor dem Unendlichen überschreiten, erzählen schon die Sagen des klassischen Altertums. Man denke nur an den blinden Seher Teiresias. Dieser verlor einst, so heißt es, sein Augenlicht, als er eine Göttin nackt im Bade erblickte.
Die Musik kann uns mehr als jede andere Kunst das Gefühl geben, im Himmel zu sein, ohne dass wir Schädigungen fürchten müssten, da sie sich ausschließlich den Ohren mitteilt. Bilder, in denen allzu himmlische Reize unser inneres Gleichgewicht ins Wanken bringen, die uns gewissermaßen unserer Sinne berauben, kommen in der Welt der Töne allenfalls in gemilderter Weise vor. Daher steht uns nichts im Wege, wenn wir Sie einfach mit himmlischer Musik verwöhnen.
Die himmlische Zauberkraft der Musik verbinden wir zu aller erst mit Namen wie Mozart, Beethoven, Schubert oder Bruckner, aber auch mit geheimnisvollen Klängen der Pop-Kultur, etwa von Frank Zappa oder der Gruppe Led Zeppelin, deren Songtitel „Stairway to heaven“ ebenfalls als Motto über unserer Großen Reihe hätte stehen können.
Während man in den irdischen Paradiesen recht liquide sein muss, um zur Schar der Seligen zu zählen, gewährt die Musik auch denjenigen den Genuss, die eher auf dem Trockenen sitzen. Es ist uns eine Herzensangelegenheit, möglichst allen den Zugang zu himmlischen Momenten zu ermöglichen. Gönnen Sie sich Ihr eigenes Paradies auf Erden!